Gabi Reinmann

Hochschuldidaktik

Wo sind die Aeblis und Klafkis?

Es ist jetzt schon wieder mindestens fünf Jahre her, dass ich mit Heinz Mandl intensiver über die Zukunft der Hochschuldidaktik gesprochen habe. Ich kann mich erinnern, dass ich damals sagte, die Hochschuldidaktik brauche einen Hans Aebli und einen Wolfgang Klafki – beides Wissenschaftler, die sich fast ausschließlich der Schule gewidmet hatten. Nachdem ich mich nun doch schon einige Jahre (zunächst an der Zeppelin Universität und seit Juni 2015 an der Universität Hamburg) gezielt und ausschließlich mit der Hochschuldidaktik beschäftigen darf, kann ich meine damalige Vermutung nur bekräftigen: Die Hochschuldidaktik bräuchte einen Aebli und einen Klafki. Es ist klar, dass das nach einer Erläuterung verlangt ;-).

Viele kennen Hans Aeblis „Zwölf Grundformen des Lehrens“. Trotzdem ist Aeblis Einfluss auf die deutschsprachige Allgemeine Didaktik nicht sonderlich groß gewesen. In einem Aufsatz von 2006 beschreiben Rudolf Messner und Kurt Reusser („Aeblis Didaktik auf psychologischer Grundlage im Kontext der zeitgenössischen Didaktik“, erschienen im Band „Didaktik auf psychologischer Grundlage“, hrsg. von M. Baer, M. Fuchs, P. Füglister, K. Reusser & H. Wyss im hep-Verlag), dass und warum sich Aebli mit seiner Theorie „außerhalb des Mainstreams“ bewegt hat, inwiefern die Grundlagen von Aeblis Theorie offenbar wiederentdeckt werden und was das Profil der Allgemeinen Didaktik Aeblis ausmacht. Es entspricht meiner eigenen Überzeugung (und an der Stelle werde ich wohl meine psychologische „Herkunft“ nicht los), dass es für das Lehren unabdingbar ist, die Perspektive des Lernens einzunehmen und jegliche Form von institutionalisiertem Unterricht von den angestrebten Lernprozessen und -ergebnissen aus zu denken, zu entwerfen und umzusetzen. Das setzt entsprechend psychologische Kenntnisse und Erkenntnisse zum Lernen (inklusive kognitiver, motivationaler, emotionaler und sozialer Aspekte) voraus. Der gebetsmühlenartig vorgetragene „shift from teaching to learning“ ist mir vielleicht auch deshalb in seiner Botschaft immer schon schleierhaft gewesen, denn wonach sonst, wenn nicht nach dem Lernen, sollte sich das Lehren denn richten?

Wolfgang Klafiks Schriften waren in den 1990er Jahren mein erster (bewusster) Kontakt mit der Pädagogik. In meinen Bemühungen noch während der Zeit an der LMU München, einen Zugang zum pädagogischen Denken zu erlangen, habe ich viele Autoren wieder zur Seite gelegt – frustriert von langatmigen und schlecht verständlichen Darstellungen, die ich nicht gut einordnen konnte. Klafkis Texte dagegen waren mir eingängig und weckten mein Interesse. Wer sich selber einen ersten Überblick über Klafkis Denken und Wirken verschaffen will, dem empfehle ich das Buch „Wege pädagogischen Denkens. Ein autobiografischer und erziehungswissenschaftlicher Dialog“ (von W. Klafki und K.-H. Braun, erschienen 2007 in Reinhardt Verlag). Was mir an der psychologischen Herangehensweise zu Fragen des Lernens und Lehrens stets gefehlt hat, war eine systematische Auseinandersetzung mit normativen Fragen: mit der gesellschaftlichen Bedeutung von Bildung, mit den damit zusammenhängenden Zielen und Inhalten von Bildung und mit der Rolle von Theorie und Empirie in dieser Auseinandersetzung. Wolfgang Klafki liefert, so meine Einschätzung, genau das in einer bestechend klaren Form.

Leider aber haben sich Aebli und Klafki – wenn man mal einzelne Überlegungen zur Lehrerbildung außen vor lässt – nicht näher mit akademischem Lehren und Lernen beschäftigt. Und es funktioniert eben nicht, bildungswissenschaftliche Erkenntnisse ohne weiteres von der Schule auf die Hochschule zu übertragen. Doch die Art und Weise, wie sich Aebli und Klafki Fragen des Lehrens, Lernens und der Bildung gestellt haben und zu Antworten gekommen sind, sowie die Komplementarität dieser beiden Ansätze wären meiner Ansicht nach auch für den allgemein-didaktischen Part der Hochschuldidaktik äußerst fruchtbar. Die Hochschuldidaktik wartet also noch auf einen Aebli und einen Klafki mit einem genuin hochschuldidaktischen Blick für die Besonderheiten akademischer Bildung.

Ein Kommentar

  1. … und kommen die beiden dann womöglich um Haaresbreite zu spät, weil die akademische Lehre sich dann in ihre Bestandteile aufgelöst haben wird?