Gabi Reinmann

Hochschuldidaktik

Frei denken

Es gibt ja schon einen Grund, warum ich zwei Jahre an der Zeppelin Universität war (2013 bis 2015): Das vierjährige Bachelorstudium, ein interdisziplinärer und vor allem forschender Studieneinstieg (und einjährige Masterprogramme) hatten mein Interesse geweckt; meine Hoffnung damals war, dass ich dort – quasi am Modell – lernen kann, wie sich Universitäten generell kreativer den jeweils neuen Herausforderungen in der Lehre stellen könnten. Jetzt macht André Alt, Präsident der Hochschulrektorenkonferenz, in einem Interview (siehe hier) genau diesen Vorschlag.

Alt fordern letztlich den Umbau des ganzen Systems: Der Bachelor solle das Grundmodell (und damit auch der Regelabschluss) sein – mit einem Jahr Studium Generale und drei Jahren Fachstudium, daran anschließend einjährige Master für die, welche in die Forschung wollen. Er schlägt zudem eine Reduktion der Promotionen vor, weil auch da nur jeder fünfte in der Wissenschaft bleibe, und plädiert dafür, dass mehr als das jetzige Drittel der Studierenden an die Fachhochschulen gehen sollten, weil die näher an den Erwartungen derjenigen seien, die gar nicht in die Wissenschaft wollen. Ja! Das klingt doch vernünftig. Und es wird eben schon vereinzelt umgesetzt (siehe oben), ist also prinzipiell machbar.

Allerdings erscheint es mir immens wichtig, sich ausreichend Gedanken um so ein Studium Generale in einem vierjährigen Bachelor zu machen. Welche Erwartungen Alt daran knüpft, wird aus dem Interview nicht ganz klar: Man könnte es so lesen, dass er damit unter anderem die Hoffnung verknüpft, Menschen auf diese Weise nicht nur fachlich zu qualifizieren; explizit jedenfalls führt er die Heterogenität der Studierenden ins Feld sowie deren Unsicherheit in der Studienwahl. Ich persönlich fürchte, dass man insgesamt zu hohe, vielleicht auch falsche Erwartungen an ein Studium Generale knüpft: Warum nicht das Fachstudium von Anfang an zum Kristallisationspunkt auch für „Bildung durch Wissenschaft“ machen? Interdisziplinäre Bezüge lassen sich auf vielfältige Weise gut während des ganzen Studiums integrieren – nicht nur am Anfang. Wäre es nicht sinnvoller, schlicht wieder mehr Zeit für eben das gewählte Fachstudium zu haben?

Überfällig dagegen erscheint mir, diese unselige Kombination aus Bachelor und Master als Regelabschluss (und die Zahlen sprechen dafür, dass es zunehmend die Regel ist) fortzuführen. Man wollte die Studienzeit verkürzen? Man hat sie verlängert: Und so schreiben Studierende beispielsweise zweimal Abschlussarbeiten und Lehrende betreuen und bewerten Studierende doppelt – wo bitte ist das die Verkürzung und „Einsparung“? Von daher hat Alt hier meine volle Zustimmung, übrigens auch in seinem Votum, mehr Studierende an die Fachhochschulen zu leiten.

Man müsse, so Alt, Menschen dazu befähigen, frei zu denken und sich zu widersetzen, wenn Zumutungen an sie herangetragen werden. Das ist sicher wahr, gilt aber wohl für Studierende der Universitäten und Fachhochschulen gleichermaßen. Und das ist weniger eine Frage der Studienorganisation (auch nicht der im Interview ebenfalls thematisierten Digitalisierung) als vielmehr eine der Inhaltsauswahl und der Bestimmung von Lehr- und Prüfungszielen. Die kleinteilige Aufspaltung von Bildungszielen in Learning Outcomes sowie der unfassbare Zwang zur Operationalisierung und Messung von allem und jedem stehen uns hier ganz besonders auffällig im Wege. Auch das müsste dann gleich mit auf die Reformagenda.

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