Man ist geneigt zu sagen: Überall auf der Welt treffen Forscherinnen auf ähnliche Probleme im Forschungsalltag an Universitäten; diese werden zunehmend kritisch analysiert, aber es ändert sich trotzdem … nichts. Joanne Doyle hat dazu kürzlich einen Artikel mit dem Titel „Reconceptualising research impact: reflections on the real-world impact of research in an Australian context” in der Zeitschrift Higher Education Research and Development veröffentlicht. Im Kern geht es darum, wie sich die Forschung zu Hochschulbildung bzw. Hochschullehre durch die Forschungspolitik und deren Drängen nach „Impact“ ändert, wie sich Wissenschaftler an die politischen Bedingungen anpassen, welche Folgen das hat und inwieweit das bisherige Verständnis von „Impact“ sinnvoll ist.
Gegen Ende des Beitrags kommt Doyle zu dem Schluss, dass gerade Hochschulbildungsforscher in einem Spannungsfeld von Ansprüchen stehen (p. 11): “the pursuit of real-world impact versus the need to demonstrate scholarly impact; the requirement to meet funding priorities versus the need to pursue intellectual inquiry; the imperative to collaborate versus the need to compete (for funding and citations); and the open dissemination of research findings to those who will benefit from the research knowledge versus the pressure to publish in high impact factor journals to maximise individual and institutional reward”. Auch wenn sich der Artikel freilich nicht auf diese Dilemmata reduzieren lässt (im Fokus steht eher ein neuer Vorschlag, wie man „Impact“ definieren könnte), möchte ich genau diesen Abschnitt hier ins Zentrum rücken und laut darüber nachdenken:
Das erste Dilemma (the pursuit of real-world impact versus the need to demonstrate scholarly impact) greift auf, was die Autorin im Text entfaltet, nämlich die Frage, was „Impact“ überhaupt bedeutet und inwieweit sich gegebenenfalls ein Einfluss auf die Welt-da-draußen (die eine Bedeutungsvariante von „Impact“) und ein Einfluss innerhalb der Fachgemeinschaft (die andere Bedeutungsvariante von „Impact“) gegenseitig anziehen und verbinden oder aber ausschließen. Und in der Tat: Welchem Gott hat man denn da jetzt zu dienen: der Gesellschaft oder dem inneren Zirkel der Eingeweihten? Der Gesellschaft natürlich – so mag man geneigt sein zu antworten, aber: Das ist meist gerade nicht das, was heute unter Spitzenforschung und damit auch Exzellenz firmiert und schon steckt man im ersten handfesten Widerspruch.
Das zweite Dilemma (the requirement to meet funding priorities versus the need to pursue intellectual inquiry) kennt wohl jeder Forscher und lässt sich simpel formuliert wohl am besten so auf den Punkt bringen: Erforsche ich, was mich als Wissenschaftlerin interessiert, oder wofür es Geld gibt, um ein Forschungsteam bilden zu können? Der Idealist in uns macht sich natürlich für das eigene (begründete) Interesse stark, die Stimme des Pragmatisten in uns ist aber meist viel lauter. Ich denke, mehr muss man dazu gar nicht sagen.
Das dritte Dilemma (the imperative to collaborate versus the need to compete (for funding and citations) ist im Vergleich zu den beiden vorherigen vielleicht weniger gravierend – im besten Fall läuft es auf „Koopetition“ hinaus und man bemüht sich ganz einfach um (drittmittelfinanzierte) Verbundprojekte. Der zusätzliche administrative Aufwand (viel Spaß bei Kooperationsverträgen zwischen Universitäten) aber kann einem diese Lösung auch schnell wieder vermiesen – um nur ein Beispiel für die vor allem wachsenden formalen und juristischen Hürden der Zusammenarbeit zu nennen.
Das vierte Dilemma (the open dissemination of research findings to those who will benefit from the research knowledge versus the pressure to publish in high impact factor journals to maximise individual and institutional reward) wiegt erneut schwerer und schließt den Kreis zu Dilemma Nummer 1: Hier verwickeln sich Staat und Gesellschaft gegenüber ihren Universitäten und Wissenschaftlern nämlich vollends in Widersprüchen – allerdings, ohne dass das offenbar so richtig ins Bewusstsein dringt. Da macht man sich für Open Access stark, fordert lauthals eine blumige Partizipation von möglichst jedem Bürger (vom Schulkind bis zur Seniorin), belohnt aber am Ende nur die, die in den Himmel der international bewerteten Ranking-Listen von was auch immer aufsteigen, der mit Open Science, Kinder-Unis und langen Nächten von allerlei interessant klingenden Phänomenen aus der Wissenschaft so viel zu tun hat wie das Sparbuch mit dem Hedgefonds.