Gabi Reinmann

Hochschuldidaktik

Ist die Vorlesung noch zu retten?

Eine große Stiftung hat diese Frage vor rund zwei Jahren offenbar verneint, denn ein damals eingereichtes interdisziplinäres Forschungsprojekt zum Thema Vorlesung (mit diesem Titel) haben wir leider nicht bekommen – schade, denn: Ich meine, ja, die Vorlesung wäre noch zu retten, jedenfalls mit Vorlesungen wie der, welche gestern gestartet ist. Unter dem Titel „Umriss einer allgemeinen Wissenschaftsdidaktik“ (weitere Infos dazu hier) bietet Dietrich Benner im Wintersemester 2018/19 an der Uni Hamburg eine Vortragsreihe an, die sowohl für uns am HUL als auch für die erziehungswissenschaftliche Fakultät von großer Relevanz ist. Und nach dem gestrigen Start ist mir klar: Das war eine richtige Entscheidung, sich für diese Veranstaltung einzusetzen.

Worum geht es? Ein Ausschnitt aus dem Ankündigungstext: „Lehrbarkeit ist ein für Wissenschaften gegenstandskonstitutiver Sachverhalt. Alle im Laufe der Wissenschaftsgeschichte entwickelten Paradigmen und Wissensformen verdanken ihre Verbreitung nicht zuletzt ihrer Lehrbarkeit. Ohne Lehrbarkeit gäbe es keine Wissenschaften, sondern Geheimdisziplinen. Lehre ist eine Voraussetzung für Lernen in den Wissenschaften. Und Lehrbarkeit vermittelt nicht nur zwischen Erfahrung und Wissen, sondern sichert auch die öffentliche Zugänglichkeit der Wissenschaften“.

Und was gab es im ersten Vortrag? Benners erste Vorlesung widmete sich einigen „Beispiellektionen“ zu Fragen rund um Erfahrung und Wissen sowie Lehren und Lernen und solchen, die mit den Ordnungen des Wissens, Lehrens und Lernens zu tun haben. Die gut verständliche und zum Mitdenken anregende Darstellung Benners nahm seinen Anfang bei Platons Kunstmythos von der Höhle über dessen Dialog Menon zu einer geometrischen Lektion bis zu Aristoteles. Den drei antiken Lektionen hat Benner dann noch Rousseaus „Emile“ gegenübergestellt (weitere folgen nächste Woche).

In allen Beispiellektionen geht es um Zusammenhänge zwischen Lehrbarkeit und Lernbarkeit. Jedes der Beispiele führt Benner zunächst ein, so dass man zunächst zustimmend zuhört, um dann die Schwächen deutlich zu machen und mit dem nächsten Beispiel einen Schritt weiter zu sein, sodass man die Entwicklungen mitvollziehen kann – eine Kunst, wie ich finde, denn jeder, der selber schon mal versucht hat, nicht einfach nur „Fakten zu vermitteln“, sondern ein mitdenkendes und verstehendes Zuhören anzuregen, weiß, wie schwer das ist.

Mich freut natürlich ganz besonders, dass in dieser Vorlesung das Lehren einen zentralen Stellenwert erhält und in seiner Beziehung zum Lernen herausgearbeitet wird – was so wohltuend differenziert ist neben dem hochschuldidaktisch platten Slogan eines „shift from teaching to learning“ (der gegebenenfalls nicht ganz „unschuldig“ ist an der Ablehnung, sich forschend mit der Vorlesung zu beschäftigen bzw. dafür Fördergelder zu investieren). Jedenfalls werde ich gerne auch die weiteren Vorträge besuchen (nur ein Termin wird sich wohl nicht machen lassen). Leider hat uns die Technik gleich beim ersten Mal im Stich gelassen (wobei das jetzt sozusagen menschliches, nicht technisches Versagen war). Wir hoffen, zumindest ein Audio vom Großteil des ersten Vortrags bereitstellen zu können. Nun ja: Es ist eben doch von Vorteil, wenn man sich die Mühe macht, vor Ort zu sein ;-).

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