Was wirkt am Studienanfang? Welche „Formate“ eignen sich für diejenigen, die mit ihrem Studium beginnen bzw. wie sind Lehrangebote in dieser Phase zu „gestalten“? Das waren einige aus einer ganzen Reihe von Fragen, die im Rahmen einer hrk-nexus-Veranstaltung zur „Studieneingangsphase im Umbruch“ behandelt wurden. Das Motto der Veranstaltung lautete: „Von der Vielfalt an Angeboten zu einem Modell?“ Rückblickend würde ich sagen, dass das Gros der Beteiligten froh gewesen sein dürfte über die gewählte Formulierung als Frage – und dann sei mal dahingestellt, welche Antwortrichtung erwartet oder ersehnt worden war. Jedenfalls kann man wohl ganz klar sagen, dass der Suche nach dem einen Modell aus vielen Gründen eine klare Absage erteilen werden muss(te).
Ich war sozusagen Beobachterin in einem der Forum – nämlich um Forum zu „Formate und Gestaltung“. In diesem Forum bekam man zwei interessante Impulse aus dem MINT-Bereich der Hochschule Rosenheim und aus dem Bereich Jura der Universität Hamburg zu hören. Beide Impulse bestätigten die prinzipiell positive Wirkung von aktivierenden, interaktiven und kooperativen Elementen in der Lehre, die – so die Vorgabe des Veranstalters – für die Studieneingangsphase diskutiert werden sollten. Auf diesem hohen Abstraktionsniveau (Aktivierung, Peer-Lernen u. ä.) haben die Teilnehmerinnen des Forums im Verlauf der Diskussion die Chancen entsprechender Lehr-Lernmethoden bekräftigt. Das allerdings dürfte wenig verwundern, da es sich hier doch eher um didaktische Allgemeinplätze handelt, die seit den 1970er Jahren intensiv diskutiert und – erfreulicherweise – nun auch vielfach erprobt und eingesetzt werden. Es wurde aber ebenso rasch deutlich, dass die konkrete Ausgestaltung und Implementierung der genannten Methoden(gruppen) und damit z.B. auch typische Hindernisse ausgesprochen fachabhängig sind: Welche Lehrkultur herrscht in einem Fach? Welche fachliche Sozialisation prägt die Beteiligten? Was erwarten die Studierenden (weil es tradiert ist)? Wie sind Prüfungen organisiert? Das sind nur einige relevante Fragen, deren Beantwortung mit darüber entscheidet, wie „erfolgreich“ es in der Studieneingangsphase ist, „Schlüsselkompetenzen“ zu vermitteln, Maßnahmen der „Aktivierung“ einzuführen, „Lerngruppen“ einzurichten und „Peer-Elemente“ zu fördern (so wiederum die Vorgaben im Forum D). Was für einen Bereich wie die Physik gegebenenfalls eine Neuerung zu Studienbeginn ist, stellt sich in einem geisteswissenschaftlichen Fach unter Umständen als ganz selbstverständlich heraus (z.B. der Dialog und kommunikative Elemente). Was für kleine Studiengänge leicht umsetzbar ist, stößt in großen Bereichen wie der Lehrerbildung auf ungeahnte Schwierigkeiten. Die besonderen Herausforderungen etwa des Jurastudiums, mit zentralem Examen und eigenen Traditionen, die fest verwurzelt sind, ist für andere Studiengänge mitunter schwer nachzuvollziehen, Maßnahmen zur Verbesserung der juristischen Studieneingangsphase vermutlich entsprechend wenig transfertauglich. Allein schon deshalb erscheint es kaum machbar, „ein transferierbares Modell“ für den Studieneingang zu finden – ich würde sogar sagen, dass es unsinnig ist, ein solches überhaupt zu suchen.
Aufwändige Methoden, mit denen man anstrebt, dass Studierende von Anfang an wissenschaftliche Inhalte verstehen, Interesse an Wissenschaft entwickeln und motiviert sind, miteinander kommunizieren und Feedback von vielen Seiten erhalten, sind, so war man sich im Forum einig, nicht zum Nulltarif zu haben: Hohe Qualität in der Lehre – gerade auch zu Studienbeginn – kostet Geld. Entsprechend gehört es durchaus zu den „Erfolgsfaktoren“, ausreichend Ressourcen bereitzustellen, besonderes Engagement von Lehrenden beim Lehrdeputat zu berücksichtigen, aber auch endlich mal das Kapazitätsrecht zu überdenken, denn: Wenn mit jeder Ressource mehr auch mehr Studierende aufgenommen werden müssen, fließt zusätzliches Geld eben nicht in die Verbesserung, sondern nur in Expansion. Neben mehr Geld wünschen sich viele auch mehr hochschuldidaktische Forschung – mit Ergebnissen, die auch Handlungsrelevanz haben und nicht nur Stoff für angesehene internationale Zeitschriften hergeben. Qualifizierung ist ein weiteres Stichwort im Zusammenhang mit verschiedenen Lehr-Lernmethoden: Im besten Fall ist diese für Lehrende auch fachbezogen, denn der Gegenstand und die Fachkultur spielen – wie eingangs schon erwähnt – natürlich auch eine Rolle bei der Ausgestaltung derselben für einen erfolgreichen Studienstart. Methoden, die in verschiedenen Varianten das Peer-Lernen nutzen, profitieren ebenfalls von Qualifizierungsangeboten – nämlich für Studierende, die z.B. als Tutorinnen tätig werden wollen. Das sind alles keine neuen Erkenntnisse, aber es ist ganz offensichtlich notwendig, sie beständig zu wiederholen, denn knappe Ressourcen (und vermutlich auch die Suche nach dem einen Modell, das den Effizienzpreis gewinnt) verdrängen so manchen guten Vorsatz schnell wieder von der Prioritätenliste.
Sicher scheint: Es ist lohnend, sich um den Studieneingang zu kümmern, wie das in den letzten Jahren vermehrt geschehen ist: Am Anfang des Studiums lassen sich die Erwartungen der Studierenden noch beeinflussen, ist die Chance noch groß, mehr Selbständigkeit zu fördern, können die Anfangsinteressen noch produktiv aufgegriffen werden etc. Allzu viele Angebote allerdings, noch dazu neben den regulären Veranstaltungen, sind letztlich wenig erfolgversprechend. Der Studieneingang selbst ist umzugestalten, und fachspezifisch erprobte Ideen sollten in reguläre Veranstaltungen fließen, denn: Was zusätzlich angeboten wird, kostet auch zusätzlich Zeit, mitunter Überwindung und besondere Motivation, und schon sinkt die Chance, dass diese Angebote auch flächendeckend genutzt werden. Da mag es freilich Ausnahmen geben, aber in der Tendenz kann man wohl festhalten: Besser nicht additiv, sondern integrativ gestalten. Und schließlich, so wurde im Forum D noch deutlich, kommt es nicht darauf an, immer auf das Neueste zu setzen und besonders viel zu verändern, sondern dies ganz gezielt zu tun. Interessanterweise erwähnte gerade der studentische Kommentator im Forum die Gefahr der “didaktischen Überforderung“ innerhalb von Veranstaltungen. Wann eine solche didaktische Überforderung für Studierende anfängt, dürfte freilich wieder von vielen Faktoren abhängen. Als kleine Mahnung mag es aber allemal ganz hilfreich sein.
Mir ist klar: Ein kritischer Unterton ist aus meinem subjektiven Resümee aus Forum D und der anschließenden Diskussionen nicht zu überhören. Allerdings möchte ich da nicht missverstanden werden: Am Ende zählt nämlich, dass es den Diskurs über so wichtige Phasen wie den Studieneingang gibt, an dem sich viele, vor allem viele Lehrende, künftig gerne auch mehr Studierende, beteiligen. Dass dann auch „Klassiker unter den didaktischen Themen“ (Schlüsselkompetenzen, Aktivierung, Peer-Lernen etc.) immer wieder erneut diskutiert werden, ist keineswegs unnötig – es wären ja auch keine „Klassiker“, würden sie nicht ganz grundsätzliche didaktische Entscheidungen tangieren, die denn auch immer wieder neu zu treffen sind. Wichtig allerdings wäre, gemachte praktische Erfahrungen, bestehende theoretische Argumente und empirische Befunde einzubinden und auf die jeweils neuen Bedarfe und Hoffnungen zu beziehen. Ich persönlich halte es für ganz entscheidend, die Fachwissenschaftler nicht wie zu belehrende Laien in der Lehre zu behandeln und von der allgemeinen hochschuldidaktischen Warte aus eine große Pädagogisierungswelle einzuleiten – sei das nun für den Studienanfang oder darüber hinaus. Wenn es uns noch um „Bildung durch Wissenschaft“ geht (auch das mag man ganz verschieden sehen; ich halte es jedenfalls für weiterhin erstrebenswert), dann brauchen wir dazu auch alle unsere Wissenschaftler und deren authentisches Interesse an der eigenen Lehre, auch wenn die aus didaktischer Sicht immer irgendwie mangelhaft, nicht perfekt oder nicht „professionell“ genug erscheinen mag. Von daher, so meine Überzeugung, brauchen wir eine Hochschuldidaktik, die als Wissenschaftsdidaktik ganz besonders die Unterschiede etwa von Universitäten und Fachhochschulen untereinander sowie die Unterschiede beider zu anderen Bildungseinrichtungen herausarbeitet, entsprechend spezifische Forschungsbefunde bereitstellt und die Lehrenden unterstützt, IHREN Weg zwischen Forschung und Lehre zu finden, von dem auch die Studierenden profitieren – von Anfang an.