Gabi Reinmann

Hochschuldidaktik

Die Universität als Lernfabrik

Ist gerade ein Nachrichtenloch? An sich doch nicht: Israel führt Krieg, die Staatsverschuldung wächst, weil man den Banken helfen und die Konjunktur ankurbeln muss, und die ersten Grippefälle gibt es auch schon. Umso bemerkenswerter ist es, dass die Presse dem Thema Lehre und Universität einiges an Platz widmet:

In der FAZ berichtet (hier) ein Theologieprofessor, warum er seinen Lehrstuhl räumt: Weil der Umwandlung der Universität in eine Lernfabrik nicht mehr ertragen kann (siehe hierzu auch Franks Beitrag). Ich kann den Mann verstehen, viele seiner Sätze kann ich unterstreichen (habe ja auch in diesem Blog schon öfter mal über die Bologna-Probleme berichtet). Gegenstand des Anstoßes ist allem voran die Lehre, die einem Kontroll- und Effizienzdiktat unterworfen wird, die den „Geist“ ersticke.

Auch die SZ beklagt heute (hier), dass es für Studierende nicht gerade einfacher wird, „selbst zu denken“. Nicht von ungefähr (Stichwort iTunes U) hat man die Vorlesung zum Gegenstand eines längeren Artikels gemacht, deren Virtualisierung nicht eben sehr positiv wegkommt.  Statt dessen wird die „persönliche Begegnung“ gefordert und gelobt, die – auch da kann man ja wirklich nur zustimmen – für Lernen und Studierende eben essenziell seien.

Ja …  schön, dass man sich in der Presse für Universität und Lehre interessiert, dass die Öffentlichkeit ein bisschen mehr davon erfährt, was an Universitäten geschieht.  Ich finde es auch gut, dass Professoren selbst zu Wort kommen, wie im Fall des oben genannten Theologieprofessors, denn diese Beiträge sind ohne Zweifel besonders gehaltvoll – das sollte öfter geschehen, dass man Betroffene (also auch die Studierenden) zu Wort kommen lässt! Denn diese Beiträge zeichnen ein viel besseres Bild von den Schwierigkeiten, die eine zeitgemäße Universitätsbildung mit sich bringt. So bleibt der SZ-Bericht in hohem Maße an der Oberfläche und jeder, der ein bisschen Ahnung von E-Learning hat, wundert sich, warum man immer und immer wieder dieselben Vorurteile und falschen Erwartungen wie auch kulturpessimistischen Befürchtungen von Neuem aufwärmt. Der FAZ-Bericht dagegen macht das Dilemma, in der sich z.B. Professoren in letzter Zeit oft befinden, viel besser deutlich. Dem sollte man jetzt noch eine Darstellung aus Studierendensicht gegenüberstellen.

5 Kommentare

  1. Hallo Gabi,
    danke für die Links! Die Artikel könnten wirklich kaum unterschiedlicher sein – insofern kann sich der kritische Leser vielleicht selbst Gedanken dazu machen. Was mich allerdings wirklich interessieren würde, ist, was Marius Reiser denn zukünftig geplant hat. Wenn er in die Wirtschaft geht, fände ich es spannend, wenn er nach einem Jahr nochmals berichten würde und inwiefern sich seine Einstellung zur Hochschule bestätigt oder geändert hat.
    Tamara

  2. Ich kann den Inhalt des Artikels in der FAZ vollständig nachvollziehen. Ich habe den „Geist“ der Universität noch persönlich erlebt. In Göttingen in den Geo- und Mathematikwissenschaften bin ich ihm begegnet. Ich war so angetan, dass ich sogar meinen Eltern davon begeistert erzählt habe, dass dort ein „Geist durch die Flure weht“, den man fast greifen kann.
    Zuletzt habe ich diesen Geist in der Arbeitsgruppe DiMeB in Bremen erlebt. Es gibt sie also noch die Inseln mit „Geist“.
    Aber sie erscheinen mir wie kleine gallische Dörfer.
    Danke für den Lesetipp.

  3. Hallo Tamara,
    na ja, ich weiß nicht, als Theologie (katholisch) ist man vielleicht anderweitig abgesichert? 😉 – nein, also ich weiß es nicht … finde es so oder so mutig!
    Hallo Helge,
    volle Zustimmung – es GIBT sie, die gallischen Dörfer; man muss sie nur suchen.
    Gabi

  4. Hallo Gabi,
    na ja, Kirche ist ja auch irgendwie ein „Wirtschaftsbetrieb“ (vielleicht der Größte..?), insofern würden mich auch diese Erfahrungen interessieren. Rein finanziell wäre es zumindest sicher kein Rückschritt – obwohl ich ihm jetzt unterstelle, dass das nicht sein Hauptmotiv für die Arbeit an der Uni war ;).
    Tamara

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