Gabi Reinmann

Hochschuldidaktik

Anerkennung statt Anreize

Im Kontext der Hochschullehre ist oft von „Anreizen“ die Rede: Man müsse Anreize setzen, damit sich Hochschullehrende mehr engagieren – also für die Lehre, die ja nun eigentlich in ihrer Berufsbezeichnung steckt. Einerseits ist das schon richtig, wenn man insbesondere das Verhältnis von Forschung und Lehre im Hinblick auf Reputation, Karrierechancen, Anerkennung oder Wertschätzung im Blick hat. Andererseits erscheint mir hier aber „Anreiz“ ein grundlegend falscher Begriff zu sein, klingt er doch vor allem nach Konditionierung: auf einen gesetzten (An-)Reiz folgt die erhoffte Reaktion bzw. mit der Belohnung als nachfolgenden (An-)Reiz bekommt man das Verhalten da hin, wo man es haben möchte: Shaping nennt man das.

Statt Anreize zu setzen, sollte man der Lehre und damit den Lehrenden besser Anerkennung zollen und allenfalls die Kultur und Rahmenbedingungen (und nicht die Hochschullehrenden) so formen, dass auch Engagement in der Lehre die Reputation erhöht.

Nun zählen in der Regel Lehrpreise und Lehrinnovationsfonds zu den „Anreizen“ oder, so mein Sprachvorschlag: Beide Ansätze lassen sich nutzen, um besondere Qualitäten und Leistungen in der Lehre anzuerkennen und auf diesem Wege die Reputation von lehrenden Wissenschaftlerinnen zu erhöhen. Lehrpreise und Lehrinnovationsfonds sind nicht das Gleiche, sondern recht verschieden und zudem komplementär, haben beide ihren eigenen Sinn, sollten in ihrer Unterschiedlichkeit gesehen und vernünftig kombiniert, nicht aber kurios vermengt werden. Wie meine ich das?

Lehrpreise, wie sie zum Bespiel einzelne Hochschulen oder Bundesländer verleihen, sind ganz klar auf einzelne Personen ausgerichtet: Oft müssen Lehrende als potenzielle Lehrpreisträger etwa von Studierenden vorgeschlagen werden. Wer Lehrpreisverleihungen kennt, hat vielleicht schon Laudationes gehört – sei es nun von Studierenden oder von Kollegen oder Fakultäts- oder Hochschulleitungen. Das, was ich da so kenne, läuft tendenziell auf personale Eigenschaften heraus, die da gelobt und am Ende ausgezeichnet werden (siehe z.B. auch in diesem Blog hier): Die Leidenschaft der Lehrenden für ihr Fach, das Engagement für die Studierenden, das Interesse an Bildung und Lernen der Studierenden, der Mut, auch Unkonventionelles auszuprobieren, Nahbarkeit oder Erreichbarkeit für welche Frage auch immer und so weiter – das sind typische „Qualitäten“ die dann genannt werden. Lehrpreise zeichnen Lehrende aus, die bereits gezeigt haben, dass sie etwas ganz Besonderes sind, wobei an sich offen ist und wohl auch offen bleiben sollte, was genau dieses Besondere ist. Das Preisgeld bekommt in der Regel die mit dem Preis ausgezeichnete Person – oft sogar zur eigenen Verwendung.

Anders verhält es sich mit Lehrinnovationsfonds: Gelder, die für die Lehre im Kontext von Lehrinnovationsfonds vergeben werden, prämieren sozusagen im Vorfeld ein besonders aussichtsreiches, gutes und/oder neues Konzept für die Lehre. Die eigentliche Lehrleistung liegt noch in der Zukunft, ist also ein Versprechen und dieses steckt in der Regel in einem Antrag vom lehrenden Wissenschaftler selbst. Ausgezeichnet wird auf diesem Wege primär das Konzept für eine neue Form der Gestaltung von Lehre und indirekt freilich auch die Kompetenz, ein solches Konzept zu erarbeiten, aber: Es sind – anders als beim Lehrpreis – eben nicht personale Eigenschaften des Lehrenden, die sich in seiner schon erbrachten Lehrleistung gezeigt haben, die hier im Zentrum des Interesses stehen. Im besten Fall werden die Konzepte nach ihrer Umsetzung noch verbessert und können als hilfreiches und instruktives Beispiel auch von anderen, den Kollegen in der Fakultät oder darüber hinaus, verwendet und angepasst werden. Deswegen heißen diese Formen der Förderung von Lehre meist auch „Innovationsfonds“ oder erhalten ähnliche Bezeichnungen. Üblicherweise werden den geförderten Lehrenden finanzielle oder personelle Ressourcen zu Verfügung gestellt, um sie direkt für die Ausarbeitung und Umsetzung des Konzepts zu verwenden.

Beide Konzepte sind also durchaus verschieden und, wie eingangs schon festgestellt, eigentlich bemerkenswert komplementär. Denn natürlich brauchen wir in der Hochschullehre beides: die besonderen und mitreißenden Personen sowie die durchdachten und zukunftsweisenden Konzepte. Beides kann freilich gleichzeitig der Fall sein, und nicht selten wird das auch so sein, aber es ist eben keineswegs zwingend.

Was man jetzt ab und zu beobachten kann, ist Folgendes: Kriterien, die man gerne bei Ausschreibungen im Rahmen eines Innovationsfonds vorgibt – beispielsweise bestimmte Anforderungen in Richtung: Digitalisierung, Nachhaltigkeit, Diversität, Internationalisierung, Transfermöglichkeit etc. – tauchen mitunter auch bei Lehrpreisen auf (vice versa habe ich das noch nicht beobachtet). Das aber erscheint mir nun ganz und gar unsinnig, weil – wie gezeigt wurde – der primäre „Gegenstand“ der Auszeichnung in den beiden Ansätzen, nämlich Person versus Konzept, doch ganz klar verschieden ist. Das gilt ebenso oder noch viel mehr für den Zweck der Auszeichnung, nämlich die Prämierung einer geleisteten Lehre versus Investition in die Veränderung von Lehre. Unabhängig von diesen Unterschieden frage ich mich bei den länger werdenden Kriterienlisten darüber hinaus, ob irgendjemand ernsthaft glaubt, Lehre würde besser werden, wenn man möglichst viele Trends auf einmal und in gleicher Weise bedient.

Fazit: Lehrpreise und Lehrinnovationsfonds sind in meinen Augen beide wertvoll, komplementär und sollten sinnvoll aufeinander abgestimmt und gerade nicht sinnlos miteinander verwoben werden. Und als „Anreize“ wie im Rahmen eines Dressuraktes sollte man sie weder denken noch einsetzen. Wer dieser Sprache ständig Vorschub leistet, verändert langfristig auch den faktischen Umgang mit der Lehre und den Lehrenden.

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