Bis vor kurzem konnten wir uns zumindest noch darüber Gedanken machen, ob es sich lohnt über einen Aufruf wie „Rettet die Alma Mater“ nachzudenken. Heute gibt es „Improvement“ statt Rettung und zwar auf Fachmessen; und Personalfragen werden vielleicht schon bald über die Alma Mater GmbH abgewickelt. Wie ich darauf komme? Gestern bekam ich den Hinweis (na ja, etwas mehr als einen Hinweis, aber darauf gehe ich jetzt nicht näher ein) auf die „1. Europäische Fachmesse für Hochschulen und Forschungseinrichtungen“, die auch einen Kongress mit einschließt, ausgerichtet von der University Partners Interchange GmbH – unterstützt vom DAAD, Siemens und dem Stifterverband, betitelt mit „improve! 2009″. Nein, das hat mich noch nicht gestört, denn natürlich werden heute viele große Veranstaltungen von Firmen organisiert und koordiniert (wobei sich diese Firma bereits auf den „wachsenden Themenbereich des Bologna-Hochschulraumes spezialisiert“ hat – ein Phänomen, das einem ja bereits bei der Akkreditierung – unangenehm – auffällt). Aber der „Imageflyer„, der hat es in sich und spielt mit einem einfachen Trick: Die bekanntesten Floskeln aus der (Bildungs-)Politik werden hier aufgegriffen, wie z.B. „Die Politik entlässt die Hochschulen in die Freiheit“, „Exzellenz und Effizienz“, „Ein spannender neuer Markt entwickelt sich“, was mit blumigen Worten umschrieben wird und in der Behauptung gipfelt: „Konzepte, die sich in der Wirtschaft bewähren, nützen auch den Hochschulen – angefangen von der strategischen Zielfindung über Prozessanalyse bis zur Detailsteuerung“.
Tatsächlich? Wir hatten eine ähnliche Diskussion übrigens schon mal beim Thema Qualitätsmanagement in den 1990er Jahren, nur dass man damals eher soziale Einrichtungen als Hochschulen im Blick hatte (von Heiner Keupp, der dieses Thema schon vor 15 Jahren aufgegriffen hat, gibt es einen vergleichsweise aktuellen Vortrag dazu, nämlich hier). Es folgten Überlegungen zum Wissensmanagement an Hochschulen (dazu habe ich auch selbst mal was geschrieben, nämlich hier; ist aber schon eine Weile her). Jedes Mal war die Hoffnung groß, mit Konzepten aus der Wirtschaft Probleme an den Hochschulen lösen zu können, wobei man aus meiner Sicht schon mal weiter war und von einer bloßen Übernahmen ökonomischer Konzepte abrückte. Es ist ja so: Niemand wird ernsthaft bestreiten, dass man vor allem, aber nicht nur das Management an Hochschulen verbessern kann – in den Universitätsleitungen genauso wie an den Fakultäten und einzelnen Fachbereichen. Niemand wird bestreiten, dass wir an der Hochschule das Engagement der Wirtschaft über den Weg von Forschungskooperationen und Drittmittel brauchen. Niemand wird bestreiten, dass verschiedene gesellschaftliche Bereiche – so auch Ökonomie, Bildung und Wissenschaft – voneinander lernen können. Was aber soll DAS? Was bitte sind an der Hochschule „effiziente Produkte“ (wie es im „Imageflyer“ heißt)? Das Bachelor-Studienangebot? Wir würde uns ja freuen, wenn damit ein effizientes Software-Produkt zur elektronischen Leistungspunkteerfassung gemeint wäre, auf das Hochschullehrer und Studierende allerdings schon lange vergeblich warten. Was wohl mit „innovativen Dienstleistungen“ an der Hochschule gemeint ist? Die Karriereberatung statt der Zumutung, zum kritischen Denken, zum Hinterfragen, zum Durchdringen auch komplexer Sachverhalte angehalten zu werden? Warum bitte sollen sich „Hochschulen als Marke etablieren“? Ich habe da ein Bild vom unabhängigen Wissenschaftler, der sich mit seiner Fachcommunity verbunden und seinen Themen und Studierenden, aber keiner „Marke“ verpflichtet fühlt.
Dass eine Seite Imageflyer so viele Plattheiten auf einmal zusammenbringt, ist fast schon wieder bewundernswert. Und dass dies so offensichtlich geschieht (man ist ja Subtileres gewöhnt), könnte geradezu amüsant sein – wenn es nicht an sich ziemlich zum Heulen wäre.
11. März 2009 um 18:50
Zur Rettung der Alma Mater habe ich mir auch schon mal Gedanken gemacht. Wie es der Zufall will, ist mir vor ein paar Tagen da eine spannende Idee gekommen:
Um die Alma Mater zu retten müsste man aus meiner Sicht zunächst die Faktoren abschwächen, die die Unis in ihrer Struktur derzeit völlig deformieren:
– Ökonomischer Druck z.B. Mangel an Geld für Personal und Ausstattung
– Zeitlicher Druck z.B. durch rigide Pläne und Vorgaben die wiederum aus ökonomischem Druck entstehen (Stichwort: Bafög)
– Politischer Druck z.B. durch die „Alter Wein in neuen Schläuchen“-aber-jetzt-schneller-und-günstiger-Reform (die vermutlich auch ökonomisch motiviert ist bzw. aus ökonomischem Druck heraus entstand)
Wenn man diese Deformationskräfte abwehren kann, ist eine Rettung möglich, wenn nicht, wird sich der Deformationsprozess weiter fortsetzen.
Deformation als Wort benutze ich auch deshalb, weil ich denke, dass es eine Form der Uni gab, die in einer Zeit entstand, als diese Deformationskräfte nochnicht am Werk waren. Diese Form war ausgerichtet an einer Gruppe von Werten, in der Geld die geringste Rolle spielte.
Von dieser Form jedoch hat man sich schon sehr sehr weit entfernt. Die Uni in der jetzigen Form zu retten wäre sicher schon kaum noch sinnvoll.
Man müsste schon fast zu einer Reformation übergehen, also eine Wieder(neu)formung nach dem Vorbild der Uni, wie sie einmal funktioniert hat.
Das Ausschalten der Deformationsfaktoren jedoch hätte meiner Ansicht nach Vorrag vor einer Wiederneuformung, denn was nutzt es etwas aufzubauen, was sogleich wieder zerstört wird.
meine 2 Cent dazu.
11. März 2009 um 19:42
Reformation nach der Deformation – ja, das wär doch mal was. Wann kommst du zurück an die Uni?
Gabi
11. März 2009 um 19:45
Ich habe versucht, die Gedankengänge aus dem Imageflyer nachzuvollziehen.
Von meiner eingeschränkten Studierendenperspektive aus bemerke ich zunächst, dass mit Imageflyern wie diesem eine oberflächliche Werbesprache in den neu erschlossenen Bildungswettbewerbsmarkt der Hochschule Einzug hält, die konkrete Forschungsarbeit sowie Lehr- und Lernszenarien auf Schlagworte wie „Effizienz oder „Exzellenz“ reduziert.
Folgt man dem Gedankengang des Flyers, so wird es zukünftig die Aufgabe der Hochschulen sein, einerseits eine möglichst hohe Anzahl an wirtschaftlichen Erfolgen über die Einwerbung von Mitteln und Sponsoren sowie der wirtschaftlich effizienten Gestaltung von Lehr-/Lernszenarien zu erzielen, andererseits müssen sie sich kontinuierlich darum bemühen, Forschungserfolge zu erzielen, um die Attraktivität für Fördergelder und Sponsoren zu erhöhen.
Da bei diesem Wettbewerbsgedanken wie im Flyer beschrieben die „Leistungsfähigkeit“ der einzelnen Hochschulen ständig wachsen muss, muss auch der Geldbedarf der Hochschulen ständig wachsen. Diesen Wettbewerb gewinnen diejenigen Hochschulen, die in einem internationalen Markt das meiste Geld akkumulieren. Verschärft wird dieser Wettbewerb durch Vergleichbarkeit über eigens zu diesem Zweck geschaffene „Prozessanalysen bis zur Detailsteuerung“, für die ebenfalls ein Markt etabliert ist.
Der primäre Zweck der Hochschule in diesem „spannenden neuen Markt“ ist weniger die Vermittlung von Wissen, sondern wirtschaftlich-effizientes Arbeiten und Akkumulation von Kapital. „Exzellenz“ beruht auf den Fähigkeiten einer sich vermarktenden Hochschule, große Mengen an Geldern zu akquirieren.