Angeregt über einen Blog-Post von Jochen Robes habe ich in der SZ online einen kleinen Bericht aus dem Bereich „digitale Bildung“ (hier) von Pascal Paukner gelesen. „Die digitale Bildung wird … von der technologischen Entwicklung überholt“ – so heißt es im Teaser. Ich hatte den Text kurz überflogen, als uninteressant eingestuft, weggeklickt und dann doch kurz innegehalten. Warum? Weil mir plötzlich auffiel, wie sehr man sich schon daran gewöhnt hat, dass Bildung – oder genauer: die angebliche Zukunft der „digitalen Bildung“ – in einem Atemzug mit der Medien- und Musikindustrie genannt wird (wie auch wieder im besagten Artikel). Denkt man das zu Ende, müsste man auch von einer „Bildungsindustrie“ sprechen.
Was sagt Wikipedia zum Begriff der Industrie? „Die … bezeichnet den Teil der Wirtschaft, der gekennzeichnet ist durch die Produktion und Weiterverarbeitung von materiellen Gütern oder Waren in Fabriken und Anlagen, verbunden mit einem hohen Grad an Mechanisierung und Automatisierung – im Gegensatz zur handwerklichen Produktionsform. … Es gibt auch Branchen, die nicht der oben genannten Definition entsprechen und trotzdem als Industrie bezeichnet werden, etwa die zum Dienstleistungsgewerbe gehörige „Tourismusindustrie“, „Musikindustrie“ oder „Unterhaltungsindustrie“. Ein Grund hierfür kann in einer Fehlübersetzung des englischen Worts industry liegen, das neben Industrie auch Branche oder Wirtschaftszweig bedeuten kann. Ein anderer Grund könnte sein, dass der jeweilige Autor bewusst einen negativen Eindruck hervorrufen will, z.B. im Sinne von ´statt Kunst mittlerweile rein industrielle Massenproduktion´. Möglich ist jedoch auch, dass der Autor bewusst einen hohen Grad der Automatisierung und Mechanisierung in der jeweiligen Branche zum Ausdruck bringen will, beispielsweise im Fall der Softwareindustrie.“
Wenn uns also Journalisten, aber auch der eine oder andere Wissenschaftler die Botschaft mitgeben, dass die Bildung einen ähnlichen Wandel durchlaufen wird (aber da noch hinterherhinkt) wie z.B. die Musikindustrie, dann heißt das was? Wird da einfach nur der Industriebegriff unreflektiert (falsche Übersetzung) verwendet? Oder setzt sich die Auffassung durch, dass Bildung eine Ware ist (was eben auch falsch wäre – allenfalls können Bildungsabschlüsse, Zertifikate etc. zur Ware werden – oder sind es schon)? Oder sind wir bei der Bildung auf einem Niveau angekommen, das die Massen zufriedenstellt (das könnte man bei der MOOC-Manie durchaus vermuten)? Oder will man zum Ausdruck bringen, dass sich Bildung doch schon bald automatisieren lässt (was die immer noch bestehenden Ängste vor Computer und Internet erklären könnte).
Von daher wäre es vielleicht doch besser, langsam mal wieder etwas sorgfältiger mit dem Bildungsbegriff umzugehen, daran zu denken, dass hinter der Bildung eine wirklich besondere Idee steckt, die man nicht so einfach herschenken sollte – schon gar nicht an die Industrie …