Gabi Reinmann

Hochschuldidaktik

Bildung erfolgreich verhindern

Vor wenigen Tagen landete ein Buch in meiner Post: „Forschungsgeleitete Lehre in einem Massenstudium“, herausgegeben von Rudolf Egger, Cornelia Wustmann und Anke Karber (Wiesbaden: Springer VS, 2015). Schon allein der Titel ist eine Provokation: Massenstudium klingt nach notwendig effizienter Massenabfertigung in der Lehre – prinzipiell schlecht vereinbar mit dem unsicheren und zweitaufwändigen Prozess des Forschens. Die Beiträge des Buches beschäftigen sich vor allem mit der Lehrerbildung und anderen bildungs- und erziehungswissenschaftlichen Studiengängen, beinhalten aber auch einige übergreifende Themen, die wohl für alle Disziplinen relevant sein dürften.

An einem Beitrag bin ich besonders hängen geblieben: „Unterricht an Universitäten? Systematische Überlegungen zum intradisziplinären Transfer“ von Claudia Gerdenitsch.

Die Autorin geht der Frage nach, ob und inwiefern man aus der Perspektive einer Phänomenologie des Unterrichts, Lehre an Universitäten begrifflich als Unterricht fassen kann (ja, kann man), welche Ähnlichkeiten dabei mit dem Schulunterricht zutage treten (die Grundstruktur) und welche Differenzen sich zeigen (z.B. der Bezug der Lehre zu Wissenschaft und Forschung – und damit forschungsgeleitete Lehre – und die Tatsache, dass Lehre nicht der einzige Zweck von Universitäten ist).

Im ersten Teil des Textes hat mich gefreut, dass da noch jemand die unselige Gegenüberstellung von Lehren und Lernen (siehe z.B. hier) kritisiert und feststellt: „Die Aktivität des Lehrens ist auf allen Gebieten darauf gerichtet, dass diejenigen, die belehrt … werden, selbst tätig werden und zwar durch Lernen …“ (S. 79 f.). Zudem fand ich einige Parallelen zu meinem Aufsatz zur Vermittlungswissenschaft (siehe hier). Unter anderem wertet die Autorin den Gegenstand des Lehrens und Lernens auf, der in der allgemeinen Kompetenzdiskussion zu verschwinden droht: „Forschungsgeleitete Lehre kann … nicht umhin, den Gegenständen Aufmerksamkeit zu schenken, um die es geht“ (S. 85). Gleichzeitig biete gerade forschungsgeleitete Lehre nicht nur Lernanregung, sondern Bildungsoptionen (S. 88).

Im Unterschied zur Schule, so stellt die Autorin fest, ist Lehre zwar Funktion und Zweck der Universität, aber: Zweck der Universität ist natürlich auch die Forschung, und Lehre ist eine nicht nur pädagogische Tätigkeit (S. 84). Zur oft genannten „Verschulung“ (also einer Gleichsetzung von Schulunterricht und universitärer Lehre) komme es vor allem dann, wenn die Lehre „berufsmäßig autonomisiert“ werde, wenn sich also Lehrende nur noch auf das Lehren konzentrieren (und nicht mehr forschen).

Zwei Bücher, die im Artikel zitiert werden, scheinen mir zudem sehr interessant zu sein: „Die Abschaffung der Zeit. Wie man Bildung erfolgreich verhindert“ von Dörpinghaus und Uphoff (2012) sowie „Philosophie des Lehrens“, herausgegeben von Koller, Reichenback und Rocken (2012). Das kommt jetzt beides auf meine Leseliste.

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