Eine Woche mit gleich drei Kolloquien ist selten; die jetzt zu Ende gehende Woche war eine solche: von einem kürzeren Doktorandenkolloquium im kleinen Kreis über ein größeres Kolloquium für Nachwuchswissenschaftlerinnen im Kontext unseres DBR-Netzwerks bis zu einem Forschungskolloquium mittlere Größe zum Thema Design-Based Research (DBR) und didaktische Entwurfsmuster.
Kolloquien können verschiedene Zwecke haben: Das erst genannte kleine Doktorandenkolloquium findet seit einiger Zeit im kleinen Kreis (mit drei Doktoranden) statt und dient vor allem dem kontinuierlichen Austausch über den aktuellen Stand der Arbeiten. Damit dient dieses Kolloquium wohl vor allem als motivationaler Impuls – ein nicht unterschätzender Aspekt in Promotionen, insbesondere wenn sie schon eine Weile laufen.
Das Nachwuchskolloquium – unsere zweite Veranstaltung im Rahmen des DBR-Netzwerkes – hatte natürlich einen ganz anderen Charakter: Es war zum einen eine durchaus größere Veranstaltung, an dem im Schnitt rund 50 Personen beteiligt waren, und diente zum anderen dazu, Personen, die mit DBR arbeiten, aus verschiedenen Bildungskontexten zusammenzubringen und ein Diskussionsforum zu bieten. Erneut mussten wir aufgrund der Pandemie auf den virtuellen Raum ausweichen, was aber aus meiner Sicht gut funktioniert hat; eine Ausnahme bleiben freilich der informelle Austausch und die damit potenziell einhergehende Vernetzung insbesondere zwischen den Nachwuchswissenschaftlern, was in Präsenz nun mal einfacher und wahrscheinlicher ist.
Acht Poster-Präsentationen haben wir in einer asynchronen Phase vorab sehen und (re-)kommentieren können. Es gab in unserem Orga-Team auch kritische Stimmen, ob das denn funktionieren könne, und wenn man mit dieser Form der Videoarbeit noch nicht so vertraut ist, kann ich die Zweifel verstehen; und in der Tat lässt sich vorab nicht abschätzen, wie gut das angenommen wird. Aber: Es hat meiner Einschätzung nach geklappt; bereits im Vorfeld kam es zu interessanten Dialogen über DBR anhand der Poster. Alle Poster-Referentinnen hatten dann in unserer synchronen Veranstaltung am Donnerstag (von 12.30 bis 17.30) zudem die Möglichkeit, sich jeweils eine halbe Stunde (in vier parallelen Tracks) direkt untereinander, mit weiteren Teilnehmerinnen und den Mitgliedern des Netzwerkes auszutauschen. Darüber hinaus gab es insgesamt vier Vorträge (in zwei Tracks), die synchron gehalten und diskutiert wurden.
Aber von vorne: Ein erstes Highlight war schon mal, dass wir Susan McKenney für einen Keynote gewinnen konnten, mit dem das Kolloquium gestartet ist: Sie hat einen biografischen Einblick in ihre eigene Entwicklung mit DBR gegeben, dann die zentralen Merkmale von DBR besprochen (das muss man wohl immer tun, wenn man über DBR spricht) und schließlich anhand von Beispielen speziellere Fragen behandelt. In der sich anschließenden kurzen Diskussion ist mir vor allem in Erinnerung geblieben, dass sich DBR für Susan McKenney zumindest in den USA und den Niederlanden schon etabliert hat und wissenschaftlich akzeptiert wird. Eine gute Nachricht!
In den Poster-Präsentationen, aber auch in einem der Vorträge, habe ich einiges wiedererkannt an Fragen, Problemen und Unsicherheiten zu DBR, die auch im Projektstudium des Master Higher Education immer wieder auftreten und stellenweise darauf hindeuten, dass die Akzeptanz von DBR im deutschsprachigen Raum doch deutlich eingeschränkter ist (als etwa in den USA und den Niederlanden): Ist das wissenschaftlich, was ich da mache? Wann beginnt die „richtige Forschung“? Welchen Stellenwert haben empirische Methoden und deren Standards in DBR? Wiederkehrende Herausforderungen sind darüber hinaus, wie man mit den verschiedenen Rollen umgeht, die man als Forschender in DBR innehat, welche Forschungsfragen sich mit DBR beantworten lassen (und welche nicht), welcher Art die Ergebnisse von DBR-Projekten sind und wie man sie darstellt. Für einige Referentinnen, so mein Eindruck, war es das erste Mal, dass sie ihre Arbeiten mit (ausschließlich) DBR-erfahrenen und -interessierten Personen diskutieren und nicht primär gegenüber etablierten Ansätzen verteidigen mussten, sondern andere Fragen besprechen konnten. Viele Unsicherheiten, so meine Vermutung, rühren genau daher, dass Qualifizierungsarbeiten mit DBR mitunter kleine Inseln in einem Meer anderer (meist empirischer) Forschungsansätze sind. Vor diesem Hintergrund freue ich mich, dass wir während der Laufzeit unseres Netzwerks noch zwei weitere Kolloquien dieser Art vorgesehen haben.
Eine interessante und wichtige Diskussion hat Iwan Pasuchin mit einem Vortrag (basierend auf seiner Habilitationsschrift) angestoßen, der die Verbindungen zwischen DBR und dem Pragmatismus beleuchtet und dabei eine Reihe kritischer Momente in DBR herausgegriffen hat. Dirk Jahn – Mitglied in unserem DBR-Netzwerk – hat dazu bereits einen Kommentar verfasst, der einige Aspekte aus dem Vortrag und dem Austausch dazu aufzeigt. An einigen Stellen in der Diskussion ging es um Begriffe wie Innovation und Optimierung, und das gab Anlass zu der Frage, wo es sich gegebenenfalls um Sprachspiele handelt und wie damit umzugehen ist. Insbesondere mit dem Innovationsbegriff hadere ich selbst auch immer wieder (siehe z.B. hier), doch ich denke, es geht nicht ohne ihn – vorausgesetzt, man klärt (vorab), wie er jeweils zu verstehen ist und von welchen Konnotationen man sich bewusst abgrenzen möchte.
Fazit: Die Veranstaltung war für mich ertragreich und ich hoffe, dass alle, die teilgenommen haben, ebenfalls mit vielen Gedanken und den aus diesem (langen) Nachmittag gegangen sind. Ich lerne vor alle immer viel davon, wie andere DBR darstellen, welche Aspekte sie besonders hervorheben und wie sie mit den inzwischen gut bekannten Schwierigkeiten umgehen.
Damit nicht genug: Am Freitag hatten wir noch unser HUL-Forschungskolloquium. Christian und Kohls und ich haben jeweils einige Thesen zur möglichen Verbindung von DBR mit dem Entwurfsmusteransatz präsentiert, sind dazu in einen Dialog und anschließend mit weiteren insgesamt knapp 20 Teilnehmerinnen in einen erweiterten Austausch gegangen. Zu diesem Thema ein anderes Mal mehr: Wir planen in jedem Fall, unsere Thesen und die Ergebnisse der Diskussion in einen gemeinsamen Text einfließen zu lassen. Auch dieses Format, wie man immer so schön sagt, fand ich anregend (wie gut es den Teilnehmern gefallen hat, weiß ich allerdings nicht): Die Thesen, wie wir beide formuliert hatten, haben wir vorab ausgetauscht, den Dialog dazu aber offen gelassen und sozusagen vor dem Publikum geführt. Erst im Anschluss haben wir dann die Diskussion geöffnet. Klar: Wer eher Novize bei einem der Themen und beiden Themen war, könnte zu dem Schluss kommen, nicht so viel mitgenommen zu haben. Aber Ziel war eben nicht eine Weiterbildung, sondern ein gemeinsames Nachdenken über eine interessante mögliche Verknüpfung zweier Ansätze für die Forschung im Kontext der Hochschulbildung.